Designer aus Ungarn – Teil 36
Kati Imre, Nóra
Rácz und Katalin Stampf mit ihrem Label „Artista“
„Mode ist Kunst“
Unweit des Nationalmuseums befindet sich in
der Puskin utca (Ecke Bródy Sándor utca) hinter einer schönen Holztür im
zweiten Stock der Showroom und die Werkstatt des Labels „Artista“. Die Fenster
des großen Raumes lassen viel Licht herein, wodurch die Design-Kreationen, die
aus Frauenmode und Accessoires wie Taschen und Geldbeutel bestehen, noch besser
hervorgehoben werden.
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Bilder: Artista |
Die Klinke
der geschnitzten, dunklen Holztür in der Hand wartet Kati Imre, eine der drei
Designerin von „Artista“, auf die Budapester Zeitung, führt dann in den
Showroom, der zwischen dem Atelier und der Werkstatt liegt und bietet einen
Platz auf der einladenden Coach an. Eigentlich wären sie ja zu dritt, meint
Kati, jedoch sei sie diejenige, die die Interviews gäbe und natürlich auch für
die anderen spreche.
Freundschaft
Kennengelernt
haben sich Kati Imre, Nóra Rácz und Katalin Stampf während ihres Studiums an
der jetzigen Moholy-Nagy Universität für Kunst und Design. Als sie nach ihrem
Abschluss 1994 „Artista“ starteten, waren sie noch insgesamt sechs Designer,
von denen zwei später anfingen, an der KREA Designschule zu unterrichten und
der einzige Mann der Gruppe in die Filmbranche als Producer wechselte und
aufhörte, Mode zu entwerfen. Die Belastung, alles zusammen zu machen wäre
einfach zu groß gewesen, betont Kati und erklärt weiter, dass „Artista“ jedoch
bis heute allen sechs gehört. Sie verstünden sich immer noch ausgezeichnet und
machten sogar ab und an zusammen Urlaub.
Namenswahl
Sie selbst
habe schon als Kind mit zehn-elf Jahren angefangen, sich auf ihre spätere
Laufbahn vorzubereiten: „Ich habe für meine Puppen Kleider entworfen und
genäht“, sagt Kati. Beim Studium beschäftigte sie sich neben ihrer
Hauptrichtung „Leder und gedruckte Stoffe“ auch viel mit dem Entwerfen und
Herstellen von Kleidern, nutzte jede Möglichkeit, sich weiterzubilden und ist
dann im Endeffekt beim Modedesign geblieben.
Den Namen des Labels entliehen die
jungen Anfänger einem geflügelten Wort an der Universität, erzählt Kati. „Alles
was ein wenig extrem, interessant, komisch und außergewöhnlich war, nannten wir
damals ‘artistás’. Hinzu kommt noch die akrobatische Leistung wie zum Beispiel
der Spagat zwischen Innovation und Tragbarkeit, die man auch in der Mode
braucht“. Für die Designer wurde all das in „Artista“ vereint.
Veränderungen
Ihr Stil habe
sich aber seither etwas gewandelt, er sei weicher, filigraner geworden, meint
Kati und fügt hinzu, dass es am Anfang eigentlich sechs Kollektionen gewesen
seien, die bei einer Modeschau unter einem Namen präsentiert wurden. In den
Kleidungsstücken war allerdings auch immer der Name des jeweiligen Designers
angegeben. Dann kam ein Auftrag aus Großbritannien, der zu einer gemeinsamen
Modelinie innerhalb des Labels führte. Ab 2000 fingen die Designer an,
verstärkt gemeinsam zu entwerfen und mischten in ihren Kreationen die extremen
Schnitte mit klassischen Elementen. Dies ist bis heute geblieben. Die drei
verbliebenen „Artista“ Gründer verzichten inzwischen auf ihren Namen in der
Kleidung und entwerfen die Kollektionen gemeinsam.
Kundenwünsche
Was getrennt
läuft, sind die Accessoires, die allein von Katalin Stampf kreiert werden und
inzwischen sehr populär geworden sind. Dazu gehören Taschen, Geldbeutel,
Brillenetuis und Öko-Beutel, die aus alten Materialen sozusagen im Recycling
entstehen. Diese einfachen Einkaufsbeutel sind etwas günstiger als die anderen
Taschen und werden deshalb gerne als billigere Variante einer „Artista“
Kreation gekauft. Durch die Finanzkrise habe sich auch die Präferenz der Käufer
geändert, weiß Kati zu berichten: Die Kunden wollen lieber Taschen aus Leder,
die etwas mehr kosten, jedoch strapazierfähiger und länger tragbar sind. Der
Clue bei den Taschen ist der abnehmbare Deckel: Durch Druckknöpfe kann damit
einer einzelnen Tasche immer ein neues Gesicht gegeben werden.
Der Stil ihrer
Mode, die hauptsächlich aus saisonalen Kollektionen für Frauen besteht, ist da
etwas spezieller. „Wir haben uns jedoch einen offenen, modebewussten
Kundenkreis aufgebaut, der regelmäßig bei uns kauft“, betont Kati und erklärt
weiter, dass dieser jeweils zur Hälfte aus Ausländern und Ungarn bestehe. Viele
der Durchreisenden finden den Showroom durch Anzeigen oder Zufall, kaufen groß
ein und empfehlen ihn weiter. Neben den Kollektionsstücken, die auch in einer
anderen Größe, Farbe oder aus einem anderen Stoff bestellt werden können,
nehmen die Designerinnen auch Bestellungen für Hochzeitskleider und
Einzelanfertigungen an.
Pro Halbjahr
stellen Nóra und Kati eine neue Kollektion, Herbst/ Winter und Frühjahr/Sommer
zusammen, die natürlich immer im Voraus entsteht. Das Problem dabei ist, die
Entwürfe auf eine maximale Anzahl zu beschränken. „Wir haben immer so zwischen
70 und 78 Kreationen, dass ist viel zu viel“, seufzt Kati, „aber es fällt uns
immer schwer, etwas wegzulassen“. Optimal wären 50 bis 60 Stücke. Die Zusammensetzung
der Kollektionen verändere sich ständig, manchmal hätten sie ein Thema, das
sich wie ein roter Faden durch die Entwürfe zieht, bisweilen würden sich ihre
Ideen zu einem Ganzen zusammenfügen. Das wichtigste bei ihren Kreationen sei
die Tragbarkeit, Bequemlichkeit und das Mischen von klassischen Elementen mit
kreativen Motiven. Die Stoffe kaufen sie auf der großen Textilmesse in Mailand,
wo sie die neuen Stofftrends sehen und dann gemeinsam planen und entscheiden.
Die Farben änderten sich von Jahr zu Jahr, nur schwarz bleibe immer modern,
sagt Kati.
Erfolge
Auch im
Ausland habe „Artista“ gute Erfahrungen gemacht. Durch persönliche Beziehungen
war von Anfang an klar, dass auch in Wien ein Geschäft entstehen sollte. So
öffneten sie 2006 zusammen mit drei österreichischen Designern das Geschäft
„Combinat“ im Museumsquartier. Durch die Umgebung nutzen sie die Ladenfläche
auch als Ausstellungsraum, „irgendwie passt das gut zusammen, denn Mode ist
auch Kunst“, meint Kati. Außerdem seien sie noch in weiteren Geschäften
vertreten, nähmen regelmäßig an Messen teil und haben es, dank der
Unterstützung der Europäischen Union, auch schon nach Tokio zu einem großen
Design-Event geschafft. Sie wären auch dieses Jahr dabei gewesen, wenn es nicht
die Katastrophe in Fukushima gegeben hätte. Das Interesse an ihrer Kleidung sei
in Japan groß, berichtet Kati. Es gäbe auch Überlegungen, mit ihrer Mode nach
Stuttgart, Hamburg, München und Berlin zu gehen. Dafür fehlt im Moment
allerdings ein verlässlicher Distributor. In Ungarn entsteht in der
Zwischenzeit im Luxuskaufhaus in der Váci utca (das 2012 eröffnet werden soll;
Anm. der Red.) ein Pop-up Store, und Anfang Dezember wird es dort mit drei
anderen Designern eine Modeschau im leeren Gebäude geben.
Ines Gruber
Showroom Artista
VIII. Puskin utca 19
Tel.: +36 1 328 0290
www.artistafashion.com
Shop Combinat
MuseumsQuartier
Quartier 21 / MQ, Wien
Tel.: +43 1 236 0596
www.combinat.at
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Samstag
12 bis 19 Uhr
Erschienen in
der Budapester Zeitung Nr. 46, vom 11.-17. November 2011
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