Dienstag, 29. Oktober 2013

RedAster

Designer aus Ungarn – Teil 19
Ákos Lakó und sein Label „RedAster“
„Global, originell, qualitativ und bezahlbar“

Große bunte Säulen schmücken den Eingang zum Művész Mozi, das an einer der Hauptverkehrsadern der Stadt, der Teréz körút, ganz in der Nähe des Oktogon zu finden ist. Innen ist es angenehm ruhig, der Straßenlärm ist nicht zu hören, Tische und Stühle laden zum Verweilen ein. Einen Katzensprung vom Eingang entfernt geht es auf der linken Seite eine kleine Treppe nach oben, wo in einem kleinen Laden in Vitrinen oder an den Wänden der bunte und extravagante Schmuck des Designers Ákos Lakó zu finden ist. Mit ihm sprach die BUDAPESTER ZEITUNG über Kindheitserinnerungen, Ideen und Zukunftspläne.
Bilder: Aaron Taylor (4)
Entspannt sitzt der Designer Ákos Lakó in der Nähe des Ladens mit seinen Kreationen und erzählt, dass er durch Zufall zur Herstellung von Schmuck gekommen sei. Er selbst habe nie gedacht, dass er sich jemals in diesem Umfang damit befassen würde. Jedoch war dieser Weg auch irgendwie vorgezeichnet, denn er „wollte schon immer anders aussehen, mich anders kleiden als der Main­stream, eben aus der Menge hervorstechen“. Aus diesem Grund fing er bereits im Gymnasium an, Ketten für sich selbst und später auch für seine Freunde herzustellen. Nachdem immer mehr Menschen auf seine Kreationen aufmerksam geworden waren, traf er die Entscheidung, sich ernsthafter damit zu beschäftigen.

Namensgebung leicht gemacht

Der Name für sein Label „Red­Aster“ war leicht zu finden, eigentlich gab es ihn ja schon. Ehe er aufgrund gesundheitlicher Probleme zum Aufhören gezwungen war, wollte Lakó eigentlich Tänzer werden und hatte sich bereits einen Künstlernamen überlegt. Dieser setzt sich aus seiner Lieblingsfarbe rot und seinem Vorbild Fred Astaire zusammen und gefiel ihm später immer noch so gut, dass er ihn einfach als Markennamen beibehielt.

In Kindheitserinnerungen schwelgen

Die Kreationen des Designers sehen wie Kinderspielzeug aus, und sie sind es zum Großteil auch. So bestehen die Ringe, Armbänder, Ketten, Anstecker, Gürtel, Ohrringe und Haarreifen aus Legosteinen und Fi­guren in allen Farben. Es gibt Würfel und Spielkarten mit vielen Mustern, Schallplattensplitter an Anhängern und Ohrsteckern sowie alte, in Stücke geschnittene Diafilme zu kaufen. „All diese Dinge erinnern mich an meine Kindheit, an die Spiele, das Vergangene. Ich habe selbst lange mit Lego gespielt, Würfel und Karten haben mich wegen ihres Aussehens fasziniert.“ Das ist mit ein Grund dafür, warum Lakó gerne alte Spielkarten und Würfel nimmt, um sie zu etwas ganz anderem zu verarbeiten.

Schnelle Entwicklung

Am Anfang stand ein Lego-Anstecker, den der junge Mann selbst entworfen, hergestellt und bei verschiedenen Partys verkauft hat. Danach folgten die Lego-Ohrringe, die im Grunde den Durchbruch brachten. Die außergewöhnlichen Accessoires bekamen soviel Aufmerksamkeit und gefielen so vielen Menschen, dass Lakó die Entscheidung traf, sich nur noch damit zu befassen. Und so kamen seine ersten Entwürfe 2004 in die etwa acht Läden in Budapest. Gleichzeitig ging er viel auf Designmärkte und schaffte es innerhalb kürzester Zeit, seine Kreationen bekannt zu machen. Inzwischen gibt es 40 Läden in Berlin, Wien, London und Budapest, an die er regelmäßig seine Kollektionen liefert. Insbesondere in der deutschen Hauptstadt sei es für ihn leicht  gewesen Fuß zu fassen, erzählt Lakó. „Es ist erstaunlich, wo ich nach acht, neun Jahren bereits stehe. Aber ich habe auch immer hundert Prozent daran geglaubt, dass meine Idee gut ist und funktionieren wird. Genug ist mir das immer noch nicht“, sagt er lächelnd und betont, dass er noch zu viel mehr in der Lage ist.

Kritik und Erfolg

Die Reaktionen auf seine Kreationen waren oft gemischt, einige hielten ihn und seinen Spielzeugschmuck für albern, andere sahen dahinter die Einzigartigkeit. „In Ungarn musste erst die Kultur dafür geschaffen werden“, sagt er und fügt hinzu, dass es hierzulande generell schwierig sei, aus der Menge hervorzustechen, doch wer den unbedingten Willen habe, könne es auch schaffen. Da viele seine Accessoires einfach nur witzig und originell gefunden hätten, sei seine Idee inzwischen zur Mode geworden und werde von vielen getragen, erzählt er stolz.
Über die Jahre hinweg ist die Vielfalt seiner Entwürfe auf 300 verschiedene Schmuckstücke gewachsen. Das sind im Grunde 14 unterschiedliche Formen wie Ohrringe, Ringe oder Ketten in unglaublich vielen Farbvariationen. Diese werden alle in Handarbeit hergestellt und bestehen meist aus Plastik oder antiallergenen Metallen. Sie werden zumeist mit Aufklebern oder Kristallen verziert. Neue Kreationen bringt Lakó nur selten – ein bis zweimal im Jahr – heraus. Diesmal verspricht er Entwürfe für August und vor Weihnachten, über die er noch geheimnisvoll schweigt. Er bemerkt kurz darauf jedoch, dass „die wenigen neuen Artikel nichts mit Mangel an Ideen zu tun“ haben. „Davon gibt es mehr als genug. Es dauert nur ein halbes Jahr, manchmal etwas länger, bis ein neues Stück sich etabliert hat. Jeden Monat etwas auf den Markt zu werfen, kann ich mir einfach nicht erlauben“. Alte Schmuckstücke verschwinden nur sehr selten vom Ladentisch, sie werden eher angepasst, überarbeitet und weiter entwickelt. So ändert sich zwar nicht die Form, aber die Farbe und vielleicht der Tragekomfort.

Testpersonen und Käufer

Neue Kreationen für Männer testet Lakó selbst, beobachtet die Reaktionen und entscheidet dann, ob er das Stück produzieren wird oder nicht. Bei den anderen Kreationen bittet er Freundinnen, die Sachen zu tragen und ihm von den Erfahrungen zu erzählen. Auch der Tragekomfort ist wichtig für ihn, der dann mit in die Produktion einfließt. Einzelanfertigungen können ganz einfach über seine Webseite angefordert werden, wo der Kunde sich seine Wunschohrringe zusammenstellen und bestellen kann. Seine Käufer sind zumeist zwischen 18 und 28 Jahre alt und kommen aus aller Herren Länder. „Meine Kreationen sind überall auf der Welt tragbar und gleichzeitig auch nicht teuer, jedoch von guter Qualität“ betont er. Sein Konzept geht auf, denn durch die vielen Bestellungen hat er inzwischen zwei Mitarbeiter, um die Ar­beit bewältigen zu können.
Ines Gruber
RedAster
www.redaster.hu

Eclectick
                                                    
V. Irányi utca 20.
                                         Geöffnet:
Tel.: (+36-1) 266-3341
                                Montag bis Freitag
10 bis 19 Uhr

www.ecletick.hu                                          Samstag 11 bis 16 Uhr


Retrock

V. Ferenczy István utca 28                        Geöffnet:           
Tel.: (+36-30) 678-8430                             Montag bis Freitag
10.30 bis 19.30 Uhr

www.retrock.com                                       Samstag 10.30 bis 15.30


Művész Mozi

VI. Teréz körút 30                                       Geöffnet ab 15 Uhr
Tel.: (+36-1) 332-6726

ÁKOS LAKÓ hat nach seiner Ausbildung an der Kozma Lajos Hochschule für Holztechnik von 2001 bis 2004 beim Fernsehen als Moderator gearbeitet und sich sein Label „RedAster“ aufgebaut. Aus seinem Hobby, dem er sich schon zu Schulzeiten gewidmet hatte, wurde so über die Jahre ein Beruf. 2007 gewann er mit seinen Kreationen den ersten sowie den Sonderpreis beim Lego Hungary Wettbewerb, in den Jahren darauf folgten Preise bei ARC und Funzine Fasching. Seit 2008 ist er jedes Jahr beim Sziget Festival zu finden, wobei er dieses Jahr auch Stände beim Soproner VOLT-Festival und bei Balaton Sound haben wird. Lakós’ Entwürfe sind mittlerweile in 40 Geschäften im In- und Ausland zu kaufen.

Erschienen in der Budapester Zeitung Nr. 25, vom 17.-23. Juni 2011


Montag, 28. Oktober 2013

aquanauta

Designer aus Ungarn –Teil 18
Designerin Bernadett Pallai, ihr Laden Fregoli und ihr Label „aquanauta”
„Die Kunden spüren das Herzblut, 
das in der Arbeit steckt“

Mitten im Herzen des V. Bezirks liegen zwischen dem Ferenciek tér und Kálvin tér verstreut viele kleine Läden aufstrebender ungarischer Designer. Der Laden Fregoli der Designerin Bernadett Pallai ist einer davon. Ein großes, bis auf den Boden reichendes, doppeltes Ladenfenster, eine Tür und ein Fahrrad über dem Eingang weisen den Weg in das kleine, originell eingerichtete Geschäft, in dem modisch-klassische und weibliche Kleidung für Sie und zeitlose, schlichte, aber trotzdem mit ein wenig Design versehene Stücke für Ihn zu finden sind.
Bilder: Aaron Taylor (2)
Uneingeweihte, die nicht wissen, dass sich hinter dem Namen Fregoli das Label „aquanauta“ verbirgt, könnten den Laden fast für ein Fahrradgeschäft halten. Diejenigen, die einen genaueren Blick durch das Schaufenster werfen, stellen allerdings schnell fest, dass es sich um Kleidung und Accessoires handelt. Bernadett Pallai teilt sich ihren Laden mit dem Designer des Labels „Balkan tango“, der aus Fahrradschläuchen Taschen, Geldbörsen und andere Kleinigkeiten herstellt. Die völlig verschiedenen Moderichtungen – die klassisch weibliche Linie und die Streetwear – innerhalb des Ladens haben auch zur Namensgebung geführt. „Fregoli war nicht nur ein bekannter italienischer Verwandlungskünstler im 19. Jahrhundert, der es schaffte, sich in einer Stunde 100 bis 110 Mal komplett neu zu kleiden, der Name hat auch noch weitere Bedeutungen, wie eine Jacke die auf beiden Seiten getragen werden kann, oder ein an der Decke zu befestigender Wäschetrockner“, erklärt Pallai. Sie betont, dass mit dem mehrdeutigen Namen die Vielfalt und Andersartigkeit der zwei verschiedenen Labels unterstrichen werden soll.

Bilder: Róbert Haas (2)
Am Anfang eine Kollektion

Seinen Anfang nahm das Label „aquanauta“ 1999, als sich Pallai mit einer Gruppe von Studienkollegen dazu entschloss, an einem Wettbewerb teilzunehmen, der es ihnen erlaubte, ihre Kleidung bei einer Modenschau vorzustellen. Das Motto der Show war „Wasserscheide“, was die Gruppe dazu inspirierte ihre Kollektion „aquanauta“ zu nennen. Mit ihrer Arbeit gewannen sie den Preis für die kreativste Kollektion, und das Interesse der Journalisten war geweckt. Nachdem sich diese in ihren Berichten über die Gruppe stets auf den Namen der Kollektion beriefen, „blieb der Name einfach an uns hängen“ sagt Pallai lächelnd. Die Zusammenarbeit fand ab 2001 dann in Form einer Firma statt, die seit 2007 der Designerin allein gehört. Die Trennung der Mitglieder erfolgte allerdings aus einem ganz bestimmten Grund: Die Mitbegründer des WAMP Designmarktes mussten sich entscheiden, wofür sie ihre Zeit aufwenden wollten und konnten. „Wir wollten 2006 einen Markt, ähnlich wie den Spitalfield Markt in London gründen, auf dem sich junge Designer vorstellen können. So entstand das WAMP“, erklärt Pallai, die sich allerdings für das Entwerfen von Mode entschieden hat. Sie nimmt jedoch an jedem WAMP teil, wenn sie in Ungarn ist.

Planung und Ausführung

Heute ist sie der einzige kreative Kopf im Unternehmen und wird von einem kleinen, aber feinen Team aus zwei Schneiderinnen und ihrem Geschäftsführer unterstützt. Wenn die Arbeit sehr viel wird, springen außerdem noch zwei weitere Schneiderinnen ein. Die Kollektionen entstehen in ihrem Kopf: „Erst überlege ich mir mit welchen Farben ich arbeiten will, dann lege ich fest wie viele verschiedene Hosen, Röcke und Jacken ich brauche. Zum Schluss verbinde ich meine Vorstellungen mit Wünschen der Kunden und den Stoffen.“ Nicht immer überzeugen die Entwürfe, die ihr am besten gefallen auch die Käufer. „Vielleicht liegt das daran, dass Designer immer etwas vor dem Trend liegen. Oft werden diese Stücke dann in der nächsten Saison gekauft“, sagt sie nachdenklich. Es entstehen pro Kollektion etwa 30 bis 40 verschiedene Entwürfe, die in kleinen Serien von drei bis vier Stücken in drei Größen, von 36 bis 40/42, produziert werden. Insgesamt gibt es pro Kleidungsstück für die drei Läden insgesamt neun bis zwölf Kopien. Größere oder kleine Größen können bestellt werden. Einzelanfertigungen seien jedoch selten, weil sie sehr wenig Zeit dafür habe. Im Durchschnitt sind es maximal drei oder vier Cocktail- oder Hochzeitskleider.

Qualität und Haltbarkeit

Eine Besonderheit ihrer Kollektionen ist, dass sie fortlaufend hergestellt werden. Dadurch gibt es neben den ständigen Entwürfen auch einige, die den Übergang von einer Saison und einer Kollektion zur nächsten darstellen. Die Stoffe für ihre Kreationen findet Pallai meist im Ausland – Deutschland, Österreich oder Frankreich –  denn die Qualität der Stoffe muss stimmen. Nur reine Naturfaser verwendet sie eher selten, denn eine Mischung mit Kunstfaser macht die Stoffe fast immer strapazierfähiger und sie behalten auch länger ihre Form. „Außerdem denke ich, dass meine Kunden es spüren, wenn besonders viel, aufwendig und mit Herzblut an einem Stück gearbeitet wurde. Man könnte sagen, je mehr Arbeit in einem Kleidungsstück steckt, desto schneller ist es verkauft“ erzählt die Designerin.

Klassisch weiblich

Ihre Kunden seien meist zwischen 30 und 40 Jahre alt. Aber es gibt auch junggebliebene Damen von 70 und 80 Jahren, die gerne ihre Entwürfe kaufen. Eben Frauen, die Wert auf ihr Äußeres legen und es sich auch leisten können. Jüngere kaufen eher von Jahreszeit zu Jahreszeit neu, wechseln öfter den Inhalt ihres Kleiderschranks, meint Pallai; „bei mir kaufen jedoch Frauen, die Kleidung suchen, an der keine Jahreszahl steht und deren Stoff und Schnitt modisch und qualitativ mehrere Jahre überdauert“. Der Unterschied zwischen den ungarischen und ausländischen Käufern sei nicht sehr groß und sei eher beim Kaufverhalten zu beobachten. „Ausländerinnen kaufen manchmal einfach nur, weil ihnen etwas gefällt. Ungarn überlegen da schon eher, wann und wo sie ein Kleidungsstück anziehen können, ob sie es wirklich brauchen und ob es vielfältig einsetzbar ist.“
Ihren eigenen Stil beschreibt Pallai als klassisch, zeitlos und weiblich. Klassisch bedeutet aber nicht altbacken oder langweilig, sondern bezieht sich auf den Schnitt. Die Finesse der Kleider ist dann der moderne Stoff mit seinen Mustern. Auch achtet die Designerin immer darauf, dass sie in den Modefarben arbeitet, denn nur so können die Kundinnen auch Schuhe und Handtaschen in den aktuellen Farben dazu wählen. Ihre Männerlinie folgt dem klassischen und eleganten Stil, wie Jeans, die auch als business casual gelten können, und als kleines Extra etwa speziell gestaltete Hosentaschen oder Nähte haben.

Ausland und Zukunft

Neben dem Fregoli sind die Entwürfe von Pallai auch im Eclectick-Shop um die Ecke und in dem Wie­ner Eclectick Geschäft zu finden. Au­ßerdem nutzt die Designerin die internationalen Märkte in Wien und Linz, auf denen sie regelmäßig ihre Kollek­tio­nen vorstellt. Auch virtuell kann bei Fregoli gekauft werden. Pallais Webseite wird momentan erneuert und soll Ende des Sommers fertig sein. Ein Webshop soll folgen. Bis die Seite fertig ist, können ihre neuen Kollektionen über fregolishop.blogspot.com bestellt werden. „Es ist einfacher über das Internet etwas zu bestellen“, gibt Pallai zu, fügt jedoch hinzu, dass dadurch die kleinen, personalisierten Änderungen, die manchmal an ihrer Kleidung anfallen, für den Kunden wegfallen. Noch ist sie skeptisch, wie der Internetverkauf funktionieren wird, möchte es aber auf jeden Fall versuchen. Eine Vergrößerung ihres Ladens plant sie jedoch nicht. „Durch die Finanzkrise sind die Käufe von Kollektionen aus dem Ausland wieder zurückgegangen, deswegen konzentriere ich mich erstmal darauf, die momentane Situation zu stabilisieren.“ 
Ines Gruber
Fregoli

V. Bástya utca 8-10

Tel./Fax:+36 1 266 25 43

www.fregolishop.com
fregolishop.blogspot.com

Öffnungszeiten:

Montag bis Freitag 11 bis 19 Uhr

Samstag 11 bis 17 Uhr


BERNADETT PALLAI studierte an der Universität für Kunst und Design in Budapest, wo sie 2002 ihren Abschluss machte. Zusammen mit fünf Studienkollegen nahm sie 1999 mit der Kollektion „aquanauta“ an einem Wettbewerb teil und wurde über Nacht bekannt. 2009 zog sie mit ihrem Laden von der Basilika zum heutigen Standort in den V. Bezirk. Neben ihrer eigenen Linie designt Pallai Kleidung für Hostessen, arbeitet mit anderen Designern zusammen und nimmt an Fashionshows teil.


Erschienen in der Budapester Zeitung Nr. 24, vom 10.-16. Juni 2011

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Kniff


Designer aus Ungarn – Teil 15
Andrea Bordács und ihr Label „Kniff“
Kleidung mit dem gewissen Extra

In der Hegedű utca, einer Parallelstraße des Teréz körút, und ganz in der Nähe des Liszt Ferenc tér, steht ein altes Gebäude, der „Tűzraktér“, in dem junge, aufstrebende Künstler aller Facetten Platz haben, um sich auszuleben und wachsen zu können. Die Designerin Andrea Bordács öffnete der BUDAPESTER ZEITUNG die verschlossene Tür zum Künstlerhaus und zu ihrem kleinen Atelier, und erzählte von ihrer Liebe zur Mode und der Neugier auf Neues.

Das Tor des „Tűzraktér“ ist seit zwei Monaten geschlossen. Keine Veranstaltung, eigentlich nichts scheint sich mehr hinter den Mauern zu tun. Einem Spaziergänger könnte es jedenfalls von außen so vorkommen. Doch das stimmt nicht ganz. Andrea Bordács erzählt, während sie über den jetzt tristen Hof zu ihrem Atelier geht, dass die Künstler sich immer noch regelmäßig treffen – seit zwei Monaten praktisch illegal im Haus arbeiten, aber nicht wissen, wie es weitergehen soll. „Wo sollen wir denn hin?“, fragt sie.

Keine Ausbildung

In ihrem „Arbeitszimmer“, das sie sich mit zwei weiteren jungen Designerinnen teilt, erhält sie schnell ihre gute Laune zurück und erzählt von ihrem guten Abiturzeugnis an einem Gymnasium, das künstlerische Beschäftigungen wie Zeichnen nicht unterstützte, ihrer Ratlosigkeit, was sie danach machen soll und der Entscheidung, es erst einmal mit einer zweijährigen Ausbildung zur Dekorateurin und Schaufenstergestalterin zu versuchen. „Ich konnte immer gut zeichnen, hatte aber niemanden in meinem Umfeld, der sagte: ,Das ist es, das solltest du machen!’ Mit der Ausbildung wollte ich feststellen, ob ich eine Affinität dazu habe“. Bei dem Kurs habe sie viele Grundlagen und den Umgang mit grafischen Computerprogrammen gelernt. Außerdem dachte ihre Umwelt jetzt ähnlich künstlerisch wie sie und trug zu ihrem Wunsch bei, an einer Hochschule für Kunst und Design zu studieren.

Eigenes Konzept

Bordács bewarb sich an der Budapester Hochschule für Kunst und Design, hatte allerdings Pech. Sie brach sich vor der Zeichenprüfung die Hand und konnte nicht aufgenommen werden. Ein Jahr später bewarb sie sich an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, wo acht Studenten aufgenommen wurden, sie jedoch den neunten, ersten Warteplatz bekam. „Das war für mich so was wie ein Zeichen. Es sollte eben nicht sein“, erklärt sie.  Da sie nicht in das System aufgenommen wurde, begann sie auf eigene Faust, Kleidung zu entwerfen und sich ein eigenes Portfolio zuzulegen. Ganz am Anfang konzentrierte sie sich auf nicht straßentaugliche Haute Couture. Dann entwarf sie ein ganz eigenes Konzept: Sie bestellte bei einer Schneiderin eine einfache Grundform, T-Shirts oder Röcke, etwa 50 Stück, die sie dann nachbearbeitete und Falten und Kniffe hinzufügte. Aus diesem Konzept heraus wurde auch der Name des Labels „Kniff“ geboren. „Ich weiß gar nicht mehr, woher das kam“, überlegt die junge Designerin und führt aus, dass es trotz allem das beste Wort für ihre Entwürfe ist.

Bilder: Aaron Taylor (4)
Irgendwann reichte Bordács das Umarbeiten der Kleidungsstücke nicht. Sie lernte dazu, und konnte sich mit ihrem ursprünglichen Konzept nicht mehr ausleben. „Ich hatte inzwischen nähen gelernt. Ganz neue Möglichkeiten standen mir offen, die ich austesten wollte.“  Vergangenen Frühling entstand ihre erste Kollektion, die aus einem einheitlichen Stoff bestand und dessen Formenwelt und Technik eine Einheit bildete. Seitdem bringt sie jede Saison eine neue Kollektion heraus, die aus acht bis zwölf Kleidungsstücken besteht. Mehr gehe nicht. „Ich mache alles selbst: vom Einkauf des Stoffes und den Schnittmustern, bis zum das Nähen und Anpassen. Noch schaffe ich es. Ich bin eben fleißig“, sagt sie lachend.
Nachfrage nach den handgemachten Einzelstücken besteht, auch habe sie inzwischen eine kleine Stammkundschaft; darunter eine Japanerin, die sich regelmäßig etwas aus ihrer Kollektion aussucht. Die Bandbreite der Interessenten ist weit. So kaufen Frauen von 17 bis 40 Jahren die im Schnitt eher extreme Kleidung und bestellen auch Einzelanfertigungen wie Hochzeitskleider. Ausländer oder Ungarn, die im Ausland leben, seien mutiger, so die junge Designerin, die sich bis heute wundert, wie und wo ihre Käufer auf sie aufmerksam werden. Sie tippt, dass die Leute sie schon auf dem WAMP-Designmarkt gesehen haben oder ihre Webseite finden. „Die Leute verlieben sich in meine Kreationen und vertrauen auf mein Urteil. Das überrascht mich immer wieder“, freut sie sich.

Schnittmuster danach

Da Bordács keine Ausbildung erhalten hat, hat sie sich ein eigenes System für das Planen und Ausführen zugelegt. Solange sie etwas entwirft, befasst sie sich nicht mit der Umsetzung, also dem Nähen und umgekehrt. Zwar entstehen hier und da Skizzen zu neuen Entwürfen, aber sie würde sich dann lieber auf eine Sache konzentrieren. Die Idee entsteht meist auf Papier, aber das endgültige Ergebnis „bekomme ich meist durch Versuche an der Modellpuppe, dort kann ich praktisch vor Ort sehen, was daraus wird“. Oft entsteht das Schnittmuster auch erst, wenn das Kleidungsstück schon endgültig fertig ist. Neben den Kollektionen befasst sich die Designerin auch mit nicht tragbaren Kreationen, bei denen sie sich austoben kann. Großen Wert lege sie von Anfang an auf natürliche Stoffe: Baumwolle, Wolle, und seit neuestem experimentiert sie mit Viskose. Auch die Farben sind eher gedeckt, natürlich eben. Diesen Sommer will Bordács sich zum ersten Mal an etwas mehr Farbe heranwagen. Das Hauptaugenmerk  legt sie jedoch immer auf den Schnitt und den Kniff. Für die Stoffe, die gute Farben und gute Qualität haben, müsse man allerdings ins Ausland fahren, erklärt sie, und das schaffe sie nicht immer.

Andere Welten

Weiterlernen an einer Designerschule möchte Bordács immer noch. Dieses Jahr wollte sie sich eigentlich in Berlin bewerben, denn dort fühle man sich nach einer halben Stunde bereits zu Hause. Jedoch bekam die Designerin in der Zwischenzeit einen halbjährigen, sehr verlockenden Auftrag, den sie nicht absagen konnte: Bei einem ausländischen Filmdreh in Etyek, in der Nähe von Budapest, soll sie die benutzten Stoffe künstlich altern lassen. In der Geschichtsserie, die in der Renaissance spielt, ist die Authentizität das Wichtigste. „Es ist eine unglaubliche Herausforderung, einmal etwas ganz anderes zu machen, etwas Derartiges entstehen zu lassen“, sagt sie und fügt hinzu, dass sie auf jeden Fall noch herumprobieren möchte und deswegen das Studium verschoben habe. Außerdem arbeite sie dort mit anderen zusammen, was einer Workshop-Stimmung gleicht und die Sache noch interessanter macht.

Ungewisse Zukunft

Diese Stimmung habe sie auch im „Tűzraktér“. Obwohl ihre Kolleginnen keine Frauenkleidung entwerfen, helfe es doch, zusammen zu sein und an ähnlich kreativen Prozessen teilzunehmen. Auch ist das ganze Haus mit seiner künstlerisch aufgeladenen Atmosphäre sehr hilfreich beim Entwickeln von Ideen. Es werde viel kommuniziert, das wirke wie ein Brutkasten für Ideen, so Bordács. Zwar habe sie zusammen mit ihren beiden Mitstreiterinnen schon geplant, in der Innenstadt einen kleinen Laden  zu eröffnen, aber als Werkstatt sollte der Raum im „Tűzraktér“ erhalten bleiben. „Die Kosten sind niedrig, wir haben hier Internet, Sicherheit und ein Umfeld das einen zum Kreativsein anregt. Eigentlich perfekte Arbeitbedingungen für junge Künstler. Es wäre schade, wenn diese Möglichkeit bald nicht mehr besteht.“

Ines Gruber

Andrea
 Bordács "kniff"
VI. Hegedű utca 3. Tűzraktér

Tel.: +36 70 3646035

www.kniff.hu
www.facebook.com/kniffashion

Erschienen in der Budapester Zeitung Nr. 21, vom 23.-29. Mai 2011

Dienstag, 22. Oktober 2013

Herczeg und American Badass


Designer aus Ungarn – Teil 14
Zoltán Herczeg und seine Labels „Herczeg“ und „American Badass“
„Exhibitionistisch, verwegen und sexy“

Wer einen Spaziergang vom Westbahnhof zum Oktogon unternimmt, bummelt, ohne es vielleicht zu wissen, auch an dem kleinen bunten Laden des Designers Zoltán Herczeg vorbei. Versteckt in einem Hinterhof auf dem Teréz Körút ist das schön dekorierte Geschäft mit vielen außergewöhnlichen Kleidungstücken und Accessoires, in erster Linie für den Mann, zu finden. Die BUDAPESTER ZEITUNG unterhielt sich mit dem Liebhaber extravaganter Brillengestelle über Vergangenheit und Zukunft, und darüber, warum seine Mode im Ausland einfacher zu verkaufen ist.

Beim Betreten des originell gestalteten Geschäftes sieht man sofort wer Kunde und wer Designer ist. Zoltán Herczeg trägt eine Brille mit schillerndem Gestell, das es mit der Kollektion von Elton John aufnehmen könnte, dazu ein gut sitzendes, gestreiftes Hemd, Used-Jeans und rote Cowboy-Stiefeletten. Nachdem die Käufer den Laden verlassen haben, nimmt er sich Zeit und erzählt, dass er schon als Kind immer gemalt, gezeichnet und entworfen hat. „Meine Eltern haben mich nicht aus dem Haus, vom Tisch und meinen Stiften wegbekommen“, sagt er schmunzelnd und fügt hinzu, dass er sich auch mit Bildhauerei und Schreiben befasst hat. „Ich hatte schon immer eine künstlerische Ader“, betont Herczeg. Ausgelebt hat er diese schon Ende der 80-er Jahre, als die Mischung von Hip Hop und Rock auch nach Ungarn schwappte, es aber keine passende Kleidung dazu gab. „Die Freundin meines Bruders war Schneiderin; ihr habe ich erste Entwürfe für Bermuda-Shorts gebracht, die sie dann verwirklicht hat“. Später kamen dann Hosen und Hemden hinzu und bis zum Ende der Universität trug er fast nur selbst entworfene Kleidung.
Bild: Aaron Taylor (1)
Ursprünglich Wirtschaftsstudium

Eine Ausbildung zum Designer habe er nicht gemacht, sondern an der Budapester Corvinus-Universität in Wirtschaft abgeschlossen. Der Grund dafür waren zu gute Noten an einer wirtschaftlichen Mittelschule. „Eigentlich wusste ich nicht, was ich machen sollte; für die Lehrer und meine Eltern war es selbstverständlich, dass ich auf die Corvinus-Uni ging, und es hat mir ja auch Spaß gemacht“, erklärt er. Trotzdem entschließt sich Herczeg nach dem Abschluss, es mit der Mode zu versuchen. Seine Eltern sahen die Sache skeptisch. „Hinter mir standen sie aber immer, und seit dem das Geschäft läuft und ich damit Geld verdiene, sind sie sehr stolz auf mich“, sagt der Designer.

Von der Straße ins Internet
 
Angefangen hat er 1996 ganz klein, mit 30.000 Forint, die er sich von einem Freund lieh sowie seiner Schneiderin und Entwürfen mit Filzstift. Es war eine Damenhose, die er auf den Straßen sowie in Studentenheimen an Bekannte und Unbekannte verkaufte und in Bus und Metro durch die Stadt schleppte. Bereits ein Jahr später eröffnete er sein erstes Geschäft, das einen Hof weiter und noch kleiner als das jetzige war. Inzwischen ist er beim Webshop angelangt, den nicht nur Käufer aus ganz Ungarn sondern zum Beispiel auch aus der Slowakei und Rumänien nutzen. Natürlich betreibt er eine Facebook-Seite, denn „man muss mit der Zeit gehen und die Möglichkeiten nutzen“. Sein neuestes Projekt besteht aus dem Vertrieb der Kleidung in den Vereinigten Staaten unter seinem Label „American Badass“.
„Filmstar Michael Madson“, erläutert der Designer, „kam eines Tages in meinen Laden, fand meine Kreationen ganz toll und hat mir gleich eine Zusammenarbeit angeboten“. Auf den Vorschlag ging Herczeg natürlich ein und produziert seinen Stil jetzt unter beiden Labeln.


Kleidung für Mutige

Autodidakt Herczeg entwirft zuerst im Kopf und bringt seine Vor­stellungen dann aufs Papier. Manchmal inspiriert ihn ein schöner Stoff zu einem Kleidungsstück, manchmal ist es umgekehrt. „Wenn man mit offenen Augen durchs Leben geht, kommen die Ideen ganz von selbst. Ich war vor einer Weile in London und Paris, und bin mit so viel Energie, Inspiration und Stoffen zurückgekommen, dass es noch dauern wird, bis ich es aus der Vorstellung gezeichnet habe.“
Der Stil ist klassisch. Wie er sagt, hat bei ihm eine Hose zwei Hosenbeine und ein Hemd zwei Ärmel. Allerdings sind die Stücke bunt und durch die Applikationen, diverse Muster und so Kleinigkeiten wie zweifarbige Knöpfe oder Hemdtaschen höchst individuell entworfen. Der Gesamteindruck ist das, was zählt. „Das zutreffendste Wort ist eigentlich Badass“, meint der Designer und führt aus, dass seine Garderobe „ein wenig exhibitionistisch, verwegen, mutig und sexy ist“ – und von Menschen getragen wird, die weltoffen sind, sich darin wohl und stark fühlen, und ihr Leben so leben, wie sie es wollen. Zu den Käufern gehören auch Ausländer, die den Laden entdecken, viel auf einmal und auch die verrücktesten Entwürfe kaufen. Ungarn sind da zurückhaltender, kaufen ein bis zwei Sachen, und dann auch eher Straßentaugliches. Den Grund dafür sieht Herczeg darin, dass Ungarn in Sachen Mode zurückgeblieben ist: „Die Menschen sind durch die Jahre des Kommunismus verschlossen, wenig mutig – geben viel darauf, was andere sagen. Es fehlt das nötige Kleingeld.“
In Herczegs Laden ist zu 90 Prozent Männerkleidung zu finden, weil er „etwas von Männern versteht“, wie er sagt. Deswegen plant er in erster Linie für sie. Herczeg arbeitet auch mit großen internationalen Firmen zusammen, für die er Hostesskleidung entwirft. Hostessen sind bekanntlich großteils Frauen, und so fällt ihm am Ende doch noch auf, dass er sich beim Design zur Hälfte ebenso mit Frauen beschäftigt. Seine neue Schuhlinie mit Reitstiefeln, Cowboy-Stiefeletten und Halbschuhen zielt allerdings wieder auf Männer ab. Für Turnschuhe, die er im vergangenen Jahr gemeinsam mit Puma herausbrachte, gewann er einen Design-Wettbewerb, und erhielt davon 30 Paar in limitierter Auflage.

„Andere Mentalitäten“

Die wirtschaftliche Lage in Ungarn schätzt er kritisch ein: „Viele Ungarn kämpfen ums tägliche Überleben, arbeiten wie Sklaven und sind unglücklich.“ Das senkt die Kaufkraft, aber auch den Willen und Mut, anders zu sein als die breite Masse. „Menschen im Westen haben eine andere Mentalität, sind glücklich und haben eine gesunde Seele. Deswegen trauen sie sich mehr“. Trotzdem will er nicht weg von hier, sondern dazu beitragen, dass es im Land wieder aufwärts geht. Denn das Entwicklungspotenzial Ungarns ist seiner Meinung nach beachtlich, doch andere Politik sei dafür vonnöten. Herczeg hofft mit seiner bunten, hochwertigen Kleidung dazu beizutragen, dass die Welt farbiger wird, denn – so behauptet er – „mein Job ist, Glück und Freude zu verkaufen“.


Ines Gruber
Zoltán Herczeg

Tel.: +36-20-973-0443

VI. Teréz krt. 35

www.herczegzoltan.hu

Seit dem Abschluss an der Corvinus-Universität vor 15 Jahren designt ZOLTÁN HERCZEG Kleidung. Mit der Ladeneröffnung im Jahr 1997 kamen auch die Aufträge von verschiedenen ungarischen Weltmusikbands, wie Back II Black, Hooligans, Romantic und vielen mehr. Später kamen dann Aufträge von internationalen Firmen hinzu, die für ihre Hostessen Kleidung bestellten. Neben TV-Auftritten als Jurymitglied, stellte er seine Kollektionen auf den Laufstegen in Madrid vor, bekam 2005 die „Fashion Awards Hungary“ für junge Designer. 2008 schaffte er es in das ungarische Jahrbuch des Who is Who. Seit 2009 arbeitet er mit dem amerikanischen Filmstar Michael Madson an einem neuen Label. 2010 brachte er in Zusammenarbeit mit Puma eigene Turnschuhe heraus.

Erschienen in der Budapester Zeitung Nr. 20, vom 16.-22. Mai 2011

Sonntag, 20. Oktober 2013

Lollipop


Designer aus Ungarn – Teil 12
Albert Bezzeg, sein Label Lollipop und der Laden Lollipop Shop
„Mein Stil ist zur Mode geworden“

Auf der sonnigen Einkaufstraße Váci utca im Herzen der Budapester Innenstadt liegt – fast versteckt – der kleine, aber feine Designerladen Lollipop Shop. Hier findet man außergewöhnliche Kleidung für Männer und Frauen von verschiedenen Designern, bunte und verrückte Accessoires und ab und an auch Bilder und Musik. Besitzer und Designer Albert Bezzeg kann man dort während der normalen Öffnungszeiten antreffen und mit ihm über Mode, Underground und die Zukunft philosophieren.

Wie sind Sie zum Design gekommen?
Ich habe eigentlich keine Ausbildung dazu, sondern habe etwas ganz anderes gelernt. Jedoch hatten meine Großeltern und Eltern ein Modegeschäft. Also bin ich im Grunde mit Nähmaschinen, Webstühlen und Kurzwaren aufgewachsen, auch wenn ich mich selbst nie damit beschäftigen wollte. Trotzdem bin ich dann bei der Mode gelandet, wenn auch mit einem anderen Aspekt. Interessiert hat sie mich seit meinem 16. Lebensjahr, wenn es mir auch damals nur darum ging, dass ich nicht das Gleiche wie alle anderen tragen und aus der Menge hervorstechen wollte. Ich wollte den Sachen einen besonderen Kick, einen Wiedererkennungswert geben. Entstanden ist das Label Lollipop mit Hilfe meiner damaligen Freundin, die Ahnung von Mode hatte, und aus dem Underground-Musikleben.

Underground-Musikleben?

Ja genau. Ursprünglich haben wir unter der Marke Lollipop Musik gemacht, Konzerte geplant und DJ-Partys organisiert, halt eben Underground und nicht Main-stream. Für die Auftritte haben wir dann auch angefangen, eigene Kleidung zu entwerfen, zum einen, weil es das, was uns gefallen hätte, nicht gab, und zum anderen, damit wir aus der Menge hervorstachen und nicht immer mit den gleichen Sachen auf der Bühne stehen mussten. Als DJ sollte man auf jeden Fall einen Wiedererkennungswert haben. Nachdem dann den Leuten unsere Klamotten gefielen, sie uns nach den Konzerten belagerten, wo wir die Sachen her hatten, begannen wir, unsere Entwürfe auch herzustellen und zu vermarkten. Und das läuft seit 2005 sehr gut.

Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?

Er ist irgendwo zwischen elegant, casual und sportlich. Ich mache Männerkleidung, die dem Träger eine “ist-mir-egal-Attitüde” verleihen. Die mir einfach selber gefallen und auch gleichzeitig das
Großbürgertum herausfordern. Magazine, Trends und andere Designer interessieren mich nicht. Damals, als wir anfingen, war das eine große Sache. Jetzt sieht es für mich so aus, als wäre mein Stil allgemein Mode geworden, fast alle tragen ihn. Und er ist ja auch für viele verschiedene Menschen, ohne Altersunterschiede, tragbar. Irgendwie ist das gut und irgendwie auch nicht; gut fürs Geschäft, aber damit wird daraus auch Main­stream.

Bilder: Aaron Taylor (2)
Und seit wann gibt es den Laden?

Inzwischen seit drei Jahren. Er hat eine gute Lage, dadurch verirren sich neben den Ungarn auch immer mehr Ausländer hierher. Und diese sind auch etwas weiter mit Mode als die Ungarn. Sie sind viel experimentierfreudiger, haben mehr Mut und kaufen viel von meinen Entwürfen. Im Moment will ich den Laden mal wieder renovieren lassen, etwas erneuern, aber das hat noch Zeit. Lollipop gibt es allerdings nicht nur hier, sondern auch im Retrock, ein-zwei weiteren ungarischen Läden und in einigen ausländischen, zum Beispiel in Berlin, London und Wien. Allerdings bestellen die Besitzer der Geschäfte nicht immer regelmäßig, alle zwei, vier, sechs Monate, aber im Großen und Ganzen wenigstens jedes halbe Jahr.

Gibt es im Laden nur Lollipop-Krea­tionen?

Nein. Ich gebe auch anderen jungen und talentierten Modedesignern die Möglichkeit, bei mir ihre Kreationen zu verkaufen. Deshalb gibt es noch B.Kund, Acid N’Zor­ro, Feelinkita, Xthismo, Chobopop und Dogstar. Von ihnen ist nicht immer viel im Laden, aber zwei, drei Entwürfe sind meistens zu finden, oft gibt es sie in Ungarn nur im Lollipop Shop. Ich finde es schön, junge Designer am Anfang ihrer Karriere unterstützend unter die Arme zu greifen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich zu präsenteren. Insbesondere dann, wenn ich in ihren Kreationen Fantasie und Einzigartigkeit sehe. Außerdem funktioniert der Laden auch wie eine kleine Galerie. Seit vergangenem Frühling fanden immer wieder Ausstellungen hier statt. Die nächste wird am 21. April eröffnet. Auch andere Happenings wie DJ-Abende und Live-Musik organisiere ich bis heute.

Wie designen Sie?

Da ich keine Ausbildung genossen habe, überlege ich mir im Grunde einfach, was ich selbst gerne tragen würde. Dann habe ich davon ein Bild im Kopf und entwerfe eine Skizze. Bevor es dann produziert wird, probiere ich am Schnittmuster noch herum. Ideen habe ich viele, davon werden allerdings nur 15 bis 20 Prozent wirklich produziert. Deswegen habe ich viele Einzelstücke, die mir dann vielleicht doch nicht hundertprozentig gefallen habe, die aber trotzdem ohne Probleme verkauft werden. Von den anderen Entwürfen lasse ich mit Hilfe einer Schneiderin etwa 25 Stück herstellen, die allerdings nur in einer Größe zu haben sind. Bei Stoffen bin ich auch nicht so wählerisch, die Hauptsache ist, sie gefallen mir. Deshalb benutze ich neben natürlichen Stoffen wie Baumwolle auch Kunstfasern, Seide hatte ich bisher noch nie. Es geht mir nicht um Modefarben oder Superstoffe, ich will niemandem etwas recht machen.

Und wie oft kommt Neuware in den Laden?

Eigentlich jede Woche. Es gibt keine Kollektion, ständig entsteht etwas Neues. Natürlich passe ich mich an die Jahreszeiten an, aber es kann trotzdem auch vorkommen, dass ich im Winter Sommerkleidung mache. Da ist ja Silvester und dann passt das wieder. Accessoires plane ich eigentlich nicht, verkaufe aber welche von anderen oder eben Sachen, die mir gefallen und die ich toll finde.

Was planen Sie für die Zukunft?

Einen gut funktionierenden Online-Shop und noch in ein paar Läden im Ausland ständig vertreten zu sein. Deutschland wäre nicht schlecht, Berlin oder München. Bei Facebook bin ich schon online, wo jeder meine neuen Sachen sehen kann. Aber ein Internet-Shop wäre schon toll.
Ines Gruber
Lollipop Shop

V. Váci utca 45.

Tel.: +36 70 626 22 33

Geöffnet: Montag bis Samstag
12 bis 19 Uhr 
Webseite: 
www.lollipopfactorybudapest.com

Erschienen in der Budapester Zeitung Nr. 18, vom 2.-8. Mai 2011