Designer aus Ungarn – Teil 1
Anikó Németh, Gründerin von Manier Haute Couture
„Design für alle“
„Design für alle“
„Irgendwo zwischen Kultur
und Wirtschaft steht das Design“ erklärt Anikó Németh, Gründerin des ungarischen
Modelabels Manier Haute Couture gleich zu Beginn des Gesprächs mit der BUDAPESTER ZEITUNG und erzählt im Anschluss über Haute Couture,
tragbare Mode und die Zukunft der ungarischen Modewelt.
Wie wird man Designer?
Ich habe ursprünglich Innenarchitektur studiert und kam dann eher zufällig zu Kleidern. Erstens konnte ich gut davon leben. Es gab damals einen Mangel an Bekleidung und dafür wollten die Menschen eher Geld aus- geben als für ihre Wohnung. Zweitens war mir die Beziehung zu den Menschen, für den ich etwas erschaffe, sehr wichtig. Ich wollte nie als Innenarchitektin einfach am Reißbrett etwas planen, worauf ich dann später keinen Einfluss mehr gehabt hätte. Beim Entwerfen von Kleidung habe ich größere Freiheit und kann damit besser auf denjenigen eingehen, für den ich plane.
Ich habe ursprünglich Innenarchitektur studiert und kam dann eher zufällig zu Kleidern. Erstens konnte ich gut davon leben. Es gab damals einen Mangel an Bekleidung und dafür wollten die Menschen eher Geld aus- geben als für ihre Wohnung. Zweitens war mir die Beziehung zu den Menschen, für den ich etwas erschaffe, sehr wichtig. Ich wollte nie als Innenarchitektin einfach am Reißbrett etwas planen, worauf ich dann später keinen Einfluss mehr gehabt hätte. Beim Entwerfen von Kleidung habe ich größere Freiheit und kann damit besser auf denjenigen eingehen, für den ich plane.
Für mich schon. Denn
beides hängt mit den Menschen zusammen, die darin leben, die damit verbunden
sind. Auch die Stadt, der Stadtteil und die Wohnung ist ein Raum, den die
Menschen, die sich darin be- wegen, ihren Bedürfnissen anpassen. Kleidung ist
für mich der kleinste Raum um einen Menschen herum, den er ganz individuell an
seine Persönlichkeit anpassen kann, worauf er selbst den größten Einfluss hat
und womit er sich auch am besten aus- drücken kann. Außerdem geht man dabei
auch ein geringeres Risiko ein, weil es ein kleineres Projekt nur für sich
ganz allein ist.
Haben Sie ein Vorbild, das Sie besonders beeinflusst hat?
Ich bewundere Frida Kahlo sehr, ihre Persönlichkeit und ihre
Lebensgeschichte, und auch Gaudí. Also wie- der die Verbindung von Architektur
und Kleidung. Und natürlich hatten Jean-Paul Gaultier, Vivienne Westwood, John
Galliano und noch einige mehr Einfluss auf mich. Aber eine dominante Person,
ein Vorbild gibt es nicht.
Was mögen Sie besonders an ihrem Job?
Was mögen Sie besonders an ihrem Job?
Ich liebe Stoffe und
Formen, und dass Schnitte in Bewegung ganz anders sein können und einen
anderen Effekt erzeugen als im Stillstand. Deswegen entwerfe ich auch gerne
Theaterkostüme. Bei den Stoffen achte ich darauf, mit Naturstoffen wie Leinen,
Baumwolle, Wolle, Seide und Leder zu arbeiten. Aber ich bin auch Innovationen
gegenüber nicht abgeneigt. Es gibt neue Technologien, die zum Beispiel
Metallfäden mit einarbeiten, wodurch der Stoff eine Erinnerungsfunktion
bekommt. Er passt sich der Silhouette des Trägers und seinen Bewegungen
perfekt an. Man kann wunderbar damit arbeiten, denn diese Stoffe behalten ihre
Form, man kann sie enger oder weiter machen, wie man es eben möchte. Oft
zerlege ich auch die Stoffe in ihre Einzelheiten und verwebe sie, sticke damit
oder arbeite mit Applikationen.
Haben Sie auch im Ausland Erfolg?
Erfolg ja, aber eher nur,
was die Anerkennung angeht. Ich habe 1994 eine Auszeichnung als „Das jüngste
Talent des Jahres“ bei der internationalen Modemesse IGEDO gewonnen und wurde
im Jahr 1996 zur Pariser Fashion Week eingeladen. Allerdings habe ich nie an
Wettbewerben teilge- nommen. Nach der Wende hatte ich gehofft, dass Ungarn sich
für den Modeweltmarkt öffnet, aber das ha- ben wir bis heute nicht geschafft.
Auch bei der Eröffnung meines Sa- lons und meines Ladens war ich naiv davon
ausgegangen, dass die Leute dann schon kommen würden. Das tun sie Gott sei
Dank auch.
Und wer kommt? Eher Ungarn oder eher Ausländer?
Nun, es sind 80 bis 90 Prozent Ausländer, die in den Salon oder
in den Laden kommen. Die Laufkundschaft im Laden fluktuiert natürlich, aber
der Anteil an Ausländern bleibt gleich. Be- sonders gerne kommen Schweizer,
Amerikaner, Niederländer und Deutsche zu mir. Aus den asiatischen Ländern
sind es eigentlich nur Japaner. Es ist natürlich gut fürs Geschäft, aber ich
finde es schon schade, dass nur so wenige Ungarn bei mir etwas bestellen.
Die, die es sich leisten
können, wollen einfach keine ungarischen Designer tragen, sondern kaufen
lieber die Kleidung der westlichen Marken. Ich finde das sehr schade. Auch ist
das Verhältnis zur Kleidung ein ganz anderes. Die Menschen aus dem Westen sind
mutiger, was ihre Bekleidung an- geht, sie drücken damit ihre Persönlichkeit,
Lebensqualität und Selbstsicherheit aus. Sie wissen, dass die Art und Weise,
wie sie sich kleiden inzwischen zur Kommunikation dazugehört. Sie wollen ihre
Individualität unterstreichen und freuen sich über Einzelstücke, die nur sie
selbst tragen. Außerdem können sie in Ungarn immer noch vergleichsweise
günstig Einzelanfertigungen erstehen.
Was ist der Unterschied zwischen dem Salon und dem Laden?
In den Salon kommen Leute, die sich ganz individuell ein
besonderes Kleidungsstück anfertigen lassen wollen. Also muss ich dafür einen
extra Schnitt machen, es braucht ein paar Anproben, viel Handarbeit... Im Laden hängen Einzelstücke von Größe 38 bis 42, die noch in der Größe an- gepasst
werden können. Aber falls es dann immer noch nicht passt, kostet es nur 20 Prozent
Aufpreis, einen bereits existierenden Schnitt individuell anzupassen.
Bis Größe 42, erstaunlich...
Wir sind eben nicht alle gleich. Und nicht schlank heißt noch
lange nicht dick. Auch bei meinen Modeshows versuche ich immer, wenigstens zehn
Mädchen mit Größe 40 bis 44 mit- laufen zu lassen. Das Problem ist da- bei
nur, dass die Modelagenturen nur Mädchen mit Größe 36 oder 38 aus- bilden.
Und nicht ausgebildet heißt, dass die Mädchen dann oft stolpern oder nicht gut
präsentieren. Aber ich werde mir ein paar Gute dafür zusammen sammeln.
Wie entsteht bei Ihnen eine neue Kollektion?
Das ist ganz unterschiedlich. Ich habe oft neue Ideen, aber auch
Themen, die immer wiederkehren. „Let’s Missbehave“ ist etwas, was mich immer
wieder beschäftigt. Ich habe mit diesen Stücken versucht, die Entwicklung der
Frauen, ihre Rolle in der Gesellschaft und den Kampf, der die
Gleichberechtigung möglich gemacht hat, auszudrücken. Ich habe immer Haute
Couture, die sich durch viel Hand- arbeit auszeichnet, aber ich versuche auch,
tragbare Kleidung für den All- tag zu entwerfen. Die praktisch und bequem,
gleichzeitig von guter Quali- tät ist, in der man sich wohlfühlt. Design
sollte für alle zugänglich sein.
Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Dass Design in Ungarn einen Platz in der Kultur, im Denken der
Menschen und auch in der Politik bekommt. Es gibt keine wirkliche Designstraße
in Budapest, die Fashion Street ist ein künstliches Gebilde, was auch die
Ausländer schnell merken. Die Politik muss mehr für die Mode tun. Italien,
Spanien und Frankreich haben es vorgemacht: Sie haben eine Fashion Week
gegründet, Designer unterstützt und sind jetzt Moderiesen. Auch Portugal
zieht nach. Ich denke, das alles wäre auch in Ungarn möglich.
Ines Gruber
Laden Haute Couture Salon
Hajós utca 12. Nyáry Pál utca 4.
1056 Budapest 1056 Budapest
ANIKÓ NÉMETH hat ab 1986 an der Ungarischen Kunsthochschule Innenarchitektur
studiert und sich dann dem Entwerfen von Kleidung zugewandt. Bereits 1990
stellte sie in Wien und Budapest ihre erste Kollektion vor. Dem folgten weitere
Modeshows in den Niederlanden, Norwegen und Österreich sowie 1992 die
Gründung des Salons Manier Haute Couture. Németh designt verschiedenste
Kostüme fürs Theater sowie Abendroben für Künstler, wie für die
Oscar-nominierte Schauspielerin Erika Marozsán und die Sängerin Veronika Harcsa.
Sie stellt ihre Kollektionen immer wieder auch auf dem Laufsteg vor. Weitere
Informationen unter www.manier.hu.
Erschienen in der
Budapester Zeitung Nr. 7, vom 14.-20. Februar 2011
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