Designer aus Ungarn – Teil 15
Andrea Bordács und ihr Label „Kniff“
Kleidung mit dem gewissen Extra
In der Hegedű utca, einer Parallelstraße
des Teréz körút, und ganz in der Nähe des Liszt Ferenc tér, steht ein altes
Gebäude, der „Tűzraktér“, in dem junge, aufstrebende Künstler aller Facetten
Platz haben, um sich auszuleben und wachsen zu können. Die Designerin Andrea
Bordács öffnete der BUDAPESTER ZEITUNG
die verschlossene Tür zum Künstlerhaus und zu ihrem kleinen Atelier, und
erzählte von ihrer Liebe zur Mode und der Neugier auf Neues.
Das Tor des „Tűzraktér“
ist seit zwei Monaten geschlossen. Keine Veranstaltung, eigentlich nichts
scheint sich mehr hinter den Mauern zu tun. Einem Spaziergänger könnte es
jedenfalls von außen so vorkommen. Doch das stimmt nicht ganz. Andrea Bordács
erzählt, während sie über den jetzt tristen Hof zu ihrem Atelier geht, dass die
Künstler sich immer noch regelmäßig treffen – seit zwei Monaten praktisch
illegal im Haus arbeiten, aber nicht wissen, wie es weitergehen soll. „Wo
sollen wir denn hin?“, fragt sie.
In ihrem
„Arbeitszimmer“, das sie sich mit zwei weiteren jungen Designerinnen teilt,
erhält sie schnell ihre gute Laune zurück und erzählt von ihrem guten
Abiturzeugnis an einem Gymnasium, das künstlerische Beschäftigungen wie
Zeichnen nicht unterstützte, ihrer Ratlosigkeit, was sie danach machen soll und
der Entscheidung, es erst einmal mit einer zweijährigen Ausbildung zur Dekorateurin
und Schaufenstergestalterin zu versuchen. „Ich konnte immer gut zeichnen, hatte
aber niemanden in meinem Umfeld, der sagte: ,Das ist es, das solltest du
machen!’ Mit der Ausbildung wollte ich feststellen, ob ich eine Affinität dazu
habe“. Bei dem Kurs habe sie viele Grundlagen und den Umgang mit grafischen
Computerprogrammen gelernt. Außerdem dachte ihre Umwelt jetzt ähnlich
künstlerisch wie sie und trug zu ihrem Wunsch bei, an einer Hochschule für
Kunst und Design zu studieren.
Eigenes Konzept
Bordács
bewarb sich an der Budapester Hochschule für Kunst und Design, hatte allerdings
Pech. Sie brach sich vor der Zeichenprüfung die Hand und konnte nicht
aufgenommen werden. Ein Jahr später bewarb sie sich an der Universität für
Angewandte Kunst in Wien, wo acht Studenten aufgenommen wurden, sie jedoch den
neunten, ersten Warteplatz bekam. „Das war für mich so was wie ein Zeichen. Es
sollte eben nicht sein“, erklärt sie. Da sie nicht in das System
aufgenommen wurde, begann sie auf eigene Faust, Kleidung zu entwerfen und sich
ein eigenes Portfolio zuzulegen. Ganz am Anfang konzentrierte sie sich auf
nicht straßentaugliche Haute Couture. Dann entwarf sie ein ganz eigenes
Konzept: Sie bestellte bei einer Schneiderin eine einfache Grundform, T-Shirts
oder Röcke, etwa 50 Stück, die sie dann nachbearbeitete und Falten und Kniffe
hinzufügte. Aus diesem Konzept heraus wurde auch der Name des Labels „Kniff“
geboren. „Ich weiß gar nicht mehr, woher das kam“, überlegt die junge
Designerin und führt aus, dass es trotz allem das beste Wort für ihre Entwürfe
ist.
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Bilder: Aaron Taylor (4) |
Schnittmuster danach

Weiterlernen
an einer Designerschule möchte Bordács immer noch. Dieses Jahr wollte sie sich
eigentlich in Berlin bewerben, denn dort fühle man sich nach einer halben
Stunde bereits zu Hause. Jedoch bekam die Designerin in der Zwischenzeit einen
halbjährigen, sehr verlockenden Auftrag, den sie nicht absagen konnte: Bei
einem ausländischen Filmdreh in Etyek, in der Nähe von Budapest, soll sie die
benutzten Stoffe künstlich altern lassen. In der Geschichtsserie, die in der
Renaissance spielt, ist die Authentizität das Wichtigste. „Es ist eine unglaubliche
Herausforderung, einmal etwas ganz anderes zu machen, etwas Derartiges
entstehen zu lassen“, sagt sie und fügt hinzu, dass sie auf jeden Fall noch
herumprobieren möchte und deswegen das Studium verschoben habe. Außerdem
arbeite sie dort mit anderen zusammen, was einer Workshop-Stimmung gleicht und
die Sache noch interessanter macht.
Diese
Stimmung habe sie auch im „Tűzraktér“. Obwohl ihre Kolleginnen keine
Frauenkleidung entwerfen, helfe es doch, zusammen zu sein und an ähnlich kreativen
Prozessen teilzunehmen. Auch ist das ganze Haus mit seiner künstlerisch
aufgeladenen Atmosphäre sehr hilfreich beim Entwickeln von Ideen. Es werde viel
kommuniziert, das wirke wie ein Brutkasten für Ideen, so Bordács. Zwar habe sie
zusammen mit ihren beiden Mitstreiterinnen schon geplant, in der Innenstadt
einen kleinen Laden zu eröffnen, aber als Werkstatt sollte der Raum im „Tűzraktér“
erhalten bleiben. „Die Kosten sind niedrig, wir haben hier Internet, Sicherheit
und ein Umfeld das einen zum Kreativsein anregt. Eigentlich perfekte
Arbeitbedingungen für junge Künstler. Es wäre schade, wenn diese Möglichkeit
bald nicht mehr besteht.“
Ines Gruber
Andrea
VI. Hegedű utca 3. Tűzraktér
Tel.: +36 70 3646035
www.kniff.hu
www.facebook.com/kniffashion
Erschienen in
der Budapester Zeitung Nr. 21, vom 23.-29. Mai 2011
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