Designer aus Ungarn – Teil 9
Réka Vágó und ihre Schuhlabel rekavago und r by rekavago
„Objekte im Raum“ – Schuhe für mehr Mut zum Auffallen
In einer
kleinen, versteckten Werkstatt in Budapest arbeitet und entwirft die Schuh- und
Taschendesignerin Réka Vágó in Gesellschaft ihrer beiden Hunde mit Nadel und Faden,
Buntstiften, Papier und Scheren ihre neuesten Kreationen. Die BUDAPESTER
ZEITUNG hatte die Möglichkeit, ihr dabei über die
Schulter zu blicken und ihr einige Fragen zu ihrer Arbeit zu stellen.
Wie sind Sie zum Schuhdesign
gekommen?
Mich hat
schon seit der Grundschule Design und Mode interessiert, ich habe sogar in der
fünften Klasse mit einer Freundin ein eigenes Modelabel entworfen. Es war mir
immer klar, dass ich kreativ arbeiten will und nicht Jura oder Wirtschaft
studieren werde. Zwar habe ich mir auch kurzfristig immer mal etwas anderes
vorstellen können wie Geologie, Ägyptologie oder Archäologie, aber ich bin
immer wieder zur Mode zurückgekehrt. Zu den Schuhen kam ich dann während meiner
Ausbildung. Obwohl ich meine eigenen Tanzkleider und die meiner Freunde für den
Wettbewerb entworfen habe, hat mich das Designen von Kleidung nie wirklich
gepackt. Als wir uns dann in der Ausbildung für eine Fachrichtung entscheiden
mussten, habe ich mich für die Schuhe entschlossen. Wir waren sehr wenige, denn
pro Jahrgang melden sich nur maximal sechs Studenten zum Schuhdesign. Dadurch
hatten wir einen familiären Umgang miteinander, was mir sehr gut gefallen hat.
Textile
Stoffe fließen aus meinen Händen. Leder hat einen gewissen eigenen Halt durch
seine Struktur. Es hat etwas von Bildhauerei, von Formen, wenn man aus diesem
flachen ein dreidimensionales Objekt erschafft. Ich kann mich auf jeden Fall an
sehr viele Schuhe aus meiner Kindheit erinnern: meine ersten roten Sandalen,
die Hochzeitsschuhe meiner Mutter, die Schuhe meiner Lehrerin oder die
furchtbaren Schuhe einer Musical-Hauptdarstellerin.
Achten Sie bei jedem auf die
Schuhe?
Ja. (lacht) Schon. In der Metro, Straßenbahn.
Eigentlich überall. Das tue ich nicht, um die Träger zu kritisieren, sondern
ich sammle Ideen. Aber nicht so, dass ich das Design anderer übernehmen würde,
das könnte ich nicht, sondern weil es mich interessiert, wie die Menschen ihre
Schuhe tragen. Welche Präferenzen sie haben, wie sie die Schuhe benutzen. Zum
Beispiel, ob der Stiefelschaft umgekrempelt ist oder nicht, wie die Schuhbänder
aussehen… Schuhe sind Objekte im Raum, und ich bin neugierig, wie sie benutzt
werden. Denn so kann ich nach den Bedürfnissen meiner Kunden entwerfen.
Verraten Ihnen die Schuhe
auch etwas?
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Bilder: Tamás Réthey-Prikkel (5) |
Sie verraten
viel über den Träger, außerdem gehören sie immer dazu. Man kann Accessoires wie
Ketten, Ringe oder Taschen weglassen, aber Schuhe braucht man, egal wer oder
wo. Sie ergänzen die Kleidung, machen sie komplett und tragen zur Aussage, zum
Statement der ganzen Person bei. Man weiß durch die
Schuhe, worauf der Träger Wert legt, ist es die Bequemlichkeit oder die
Unterstreichung des eigenen Aussehens? Wie will sich die Person damit fühlen,
sexy, weiblicher oder will sie Aufsehen erregen? Man erfährt viel über Prioritäten,
wenn man Schuhe beobachtet.
Ich persönlich
trage gerne flache Schuhe, Ballerinas und Mokassins, also entwerfe ich diese
auch am liebsten. Aber auch schöne, sexy Sandalen für den Sommer oder Plateauschuhe
mag ich, Wedges sind allerdings eher nicht mein Ding, weil sie den wenigsten
Menschen stehen. Es ist wie im Alltag, es kommt immer darauf an, wohin man geht
und wie man auftreten möchte. Meiner Meinung nach sollte man den richtigen
Schuh für die richtige Gelegenheit tragen.
Was ist Ihnen am wichtigsten
dabei?
Bei meinen
Schuhen achte ich auf die Qualität des Leders, benutze meist mehr als eine
Farbe und teste sie auch selbst. Ein Entwurf, der nicht bequem ist, den lasse
ich auch nicht herstellen. Schuhe sind meine große Liebe, sie sollen so
einzigartig wie möglich, eben ein Blickfang sein; bei ihnen kann ich mich
austoben. Bei meinen Taschen ist das ein wenig anders, hier kommt meine
praktische Seite zum Vorschein. Ich lebe manchmal fast aus meiner Tasche, und
die Frauen, die meine Produkte kaufen, haben ein ähnlich aktives Leben.
Deswegen müssen meine Entwürfe viel Platz bieten, um alles zu verstauen, egal
ob Abend- oder Handtasche.
Und wer sind Ihre Käufer?
Das kommt
darauf an. Am Alter kann ich es nicht festmachen, auch der Preis ist nicht
ausschlaggebend. Es sind eben Frauen, die das Außergewöhnliche bevorzugen;
jetzt bald auch Männer, wenn mein neues Männerlabel startet. Ich habe die Premium-Linie
rekavago, bei der ich teurere Grundmaterialen verwende und mehr Handarbeit benötigt
wird, und das Label r by rekavago, das um zwei Drittel günstiger ist und mehr
Kunden erreicht. Gekauft werden die Schuhe von Ungarn und Ausländern, allerdings
steigt die Zahl der Ausländer, weil sie die Qualität und das Design meiner
Schuhe mögen und sie diese bei mir für einen guten Preis erwerben können. Viele
kaufen auch aus beiden Linien etwas, das kommt darauf an, wofür der Schuh
gebraucht wird. Budapest ist nicht gerade schuhfreundlich und so überlegt man
schon, ob man seine empfindlichen Schuhe tragen sollte oder nicht. Allerdings könnte
man ja Wechselschuhe mitnehmen, wie die Frauen in New York. Das hat auch etwas
Schickes.
Machen Sie auch Einzelanfertigungen?
Natürlich. 50
Prozent sind Einzelanfertigungen; entweder Nachproduktionen eines
Kollektionsschuhs, der in einer anderen Größe benötigt wird oder etwas abgeändert
werden soll, Bestellungen von Bräuten, die einen tollen Brautschuh möchten oder
von anderen Frauen, die eine Idee haben und diese umsetzen möchten.
Und wie designen Sie?

ihre Form in das Gesamtkonzept einfügt.
Was bringt die Zukunft?
Einen
Onlineshop. Im Moment gibt es meine Entwürfe nur im Pazicski Showroom oder auf
der Seite www.ourstyle.hu. Meine
neuesten Nachrichten stehen im Moment immer auf meinem Blog, da meine Webseite
aktualisiert wird, um den Onlineshop einzurichten. Mit dem kann ich dann auch
Menschen außerhalb Budapests erreichen, auf dem Land oder im Ausland.
Irgendwo
erneuere ich die Schuhwelt, verknüpfe Ideen und setze Trends mit Schuhen die
tragbar, bequem und etwas auffällig sind. Mit den Kreationen versuche ich, die
Bedürfnisse vorab zu erfüllen und biete Menschen eine Alternative zu anderen
Schuhen. Hoffentlich sporne ich sie damit auch an, mehr Mut zum Auffallen zu
zeigen und dazu zu stehen.
Ines Gruber
PAZICSKI
Budapest
V. Henszlmann Imre utca 3.
Tel.: +36 1 411 06 31 / 32
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag 10 bis 18 Uhr
Samstag 10 bis 17 Uhr
Persönlicher Termin: +36 70 3804754
Onlineshop:
www.ourstyle.hu und
www.rekavago.com (bald online)
Blog: rekavago.wordpress.com
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Bild: Aaron Taylor (1) |
RÉKA VÁGÓ hat an der Bratislavaer Kunsthochschule (VSVU) und an der
Moholy-Kunstuniversität studiert und beendete dort ihren Master 2003. Außerdem
hat sie am London College of Fashion Schuhdesign-Kurse besucht. Nach zwei
Jahren Arbeit für Tisza Cipő und den Juhos Schuhsalon brachte sie 2005 ihre
erste Kollektion heraus mit Couture und Ready-to-Walk Schuhen unter ihrem
eigenen Label. Kurze Zeit später, in der Herbst-Silhouette-Kollektion 2006/07,
gesellten sich dann Taschen hinzu. Vágó arbeitet mit einigen anderen Designern
wie Kiren Passi, Bori Tóth, Aquanauta and Anna Péter zusammen.
Erschienen
in der Budapester Zeitung Nr. 15, vom 11.-17. April 2011
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