Samstag, 18. Januar 2014

Glasbläser

Glasbläser in Parád
Faszinierende Facetten

Seit dem Frühjahr hat sich in einer traditionellen Glashüttengegend Ungarns eine Glasfabrik, die Art Glass Parád Kft., der traditionellen Herstellung von Glas verschrieben. Die beiden Eigentümer standen der BUDAPESTER ZEITUNG Rede und Antwort.

Bilder: Gábor Gál (6)
In der Gemeinde Parád, etwa 100 Kilometer östlich von Budapest gelegen, wird seit dem 17. Jahrhundert Glas hergestellt. Es gab hier lange Zeit eine große Glasfabrik, die den Menschen in der Umgebung Arbeit als Glasbläser, Schleifer und Graveure bot. Die benötigten Fachleute wurden in einer Fachschule in der nahe gelegenen Kleinstadt Gyöngyös ausgebildet. Leider machte das Management nach der Wende den Fehler, auf maschinelle Fertigung umzustellen – so musste die Fabrik 2004 schließen.

Neuanfang
 
Fast zehn Jahre später ist in Parád eine Glasmanufaktur entstanden, die sich ausschließlich auf  Produkte spezialisiert hat, die mit dem Mund geblasen werden. Die beiden Eigentümer, Zsolt Berényi und Marcell Rénes, ergänzen sich bei der Leitung der Firma, wobei Zsolt als Ingenieur den technischen Teil beisteuert und Marcell für das Marketing zuständig ist. Über Glas und seine Besonderheiten wissen jedoch beide Bescheid.

Bild: Zoltán Sziebig (1)

Unterschiede der Herstellung

Glas sei keine chemische Verbindung, die stabil sei, sondern eine Mischung, erklären sie, wobei die Zusammensetzung ausschlaggebend sei. Der Schmelzpunkt müsse so gewählt werden, dass die Masse glühe und formbar sei. Es komme alles auf die richtige Zusammensetzung an, was die in Parád ausgebildeten Glasbläser aus dem Effeff wüssten. So sei es auch nicht schwierig gewesen, Mitarbeiter für die neue Firma zu finden.

Tradition und Fortschritt

Das kleine Gebäude, das eigentlich nur Versuchszwecken dienen sollte, erbte Marcell vor einigen Jahren von seinem Vater. Es wurde damals als Lagerhaus genutzt und musste ein wenig umgebaut werden. Das Glas wird ausschließlich in Elektroöfen geschmolzen. Grund dafür sind einerseits die Wirtschaftlichkeit und der Umweltschutz, andererseits die schönere Verarbeitung des Glases. Bei Brennöfen gäbe es immer Einschlüsse, diese fielen durch den Elektroofen weg. So entstünden aus dem Glasgranulat, das aus Deutschland stamme, noch schönere Gläser.

Die Entscheidung, Granulat zu nutzen fällten die Besitzer deshalb, weil sie ihre Mitarbeiter vor den giftigen Bleidämpfen schützen wollen, die etwa bei der Kristallglasherstellung entstehen. Einer der Glasbläser schwärmt von der Qualität des Materials, das sich wunderbar verarbeiten ließe und einen ganz anderen Glanz habe als die Glasobjekte, die er früher gemacht habe. Überdies trage auch der Schmelztiegel, der aus einem einzigen Stück Quarzkristall bestehe, zu der hohen Reinheit des Endproduktes bei.

Der ganz besondere Glanz der Gläser entstehe durch die Benutzung von speziellen Holzformen, die in Wasser eingeweicht dem heißen Material ihre Form gäben. Durch den Dampf, der beim Formen entstehe, werde das Glas so glatt, dass sogar „eine Fliege darauf ausrutschen würde“, so Zsolt. Der Fachmann für diese Formen wohne übrigens zwei Häuser weiter und stelle diese ausschließlich traditionell von Hand und aus Buche her.

Monopolstellung

Ihr Ziel sei es, in- und ausländische Kunden sowie Firmen und Privatpersonen für ihre Objekte zu interessieren, und so entstünden im Moment die Vorzeigestücke. Geplant seien kleine, exklusive Serien mit individueller Gravur und höchstens zwei verschiedenen Farben. Jedoch werden auf Bestellung auch ganz spezielle Einzelanfertigungen hergestellt. Insgesamt wollen Zsolt und Marcell am Ende rund 20 Mitarbeiter beschäftigen, die in zwei Schichten die Produkte herstellen, schleifen und gravieren. Die Firma soll eher klein bleiben und sich auf die Qualität und Einzigartigkeit konzentrieren, denn sie seien die einzigen, die Glas noch per Mund bliesen.

Bild: Zoltán Sziebig (1)
Aus diesem Grund werden auch die Produkte laufend weiterentwickelt. Einer der Glasbläser berichtet von regelmäßigen Versuchen und Ideen und zeigt uns ein abstraktes Eichhörnchen, das beim letzten Mal entstanden sei. „Glasbläser ist mehr als ein Beruf, es ist das Gefühl für Glas und die Freude daran“, betont er mit zufriedenem Gesichtsausdruck.

Ausbildung und Besuche

Da die Ausbildung in Sachen Glasbearbeitung in der Umgebung von Parád verschwunden sei, werde Art Glass künftig selbst ausbilden, sagt Zsolt, der auch noch weitere Zukunftspläne verrät. So wird Glaskünstlern und  Studenten der Universität für Kunst und Design die Möglichkeit geboten, an den Öfen zu arbeiten, Führungen für Privatpersonen und Schulen werden ab Ende Juli auch auf Englisch und Deutsch angeboten, und die Website mit Onlineshop wird noch diesen Sommer erreichbar sein. In fernerer Zukunft will Zsolt auch einen Lastwagen mit fest installiertem Brennofen haben, der in ganz Europa von Festival zu Festival fährt und die Glasbläserkunst vermittelt.
Ines Gruber
Art Glass Parád Kft.
Tel.: +36 20 9546719, +36 20 4446161
3242 Parádsasvár, Petõfi Sándor utca 21
www.artglassparad.hu

Der Besuch der Werkstatt dauert etwa eine halbe Stunde, Erklärungen zur Glasbläserkunst inklusive.
Eintritt: Schüler und Studenten 700, Erwachsene 1.000 Forint.
Um Anmeldung wird gebeten.

Erschienen in der Budapester Zeitung Nr. 28, vom 12. – 18. Juli 2013




Bilder: János Rátki (3)

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